{tag 1: Edinburgh - Kinlochewe, Anreise} Wir haben uns beim Frühstück ein bisschen zu lange mit Zeitung lesen aufgehalten so dass es schon recht spät ist als wir endlich loskommen. Aber wir erreichen noch rechtzeitig unseren Bus nach Inverness.
Dort angekommen überprüfen wir noch mal die Abfahrtszeit unseres Anschlussbusses (der fährt schließlich nur einmal pro Tag und auch nur von Mo.-Fr.) und vertreiben uns die restlichen 2 ½ Stunden mit Sandwich essen und Kaffee trinken. Unser Busfahrer hat es anscheinend ziemlich eilig und fährt mit entsprechendem Tempo über die kurvenreiche Landstraße. In Kinlochewe angekommen, müssen wir leider feststellen, dass der Dorfwirt keinen Platz in seinem "Bunkhouse" mehr hat. Aber wir bleiben zumindest noch um in dem Pub etwas zu essen (sehr lecker!) und ein letztes Bier vor der Wanderung zu trinken.
Der (kostenlose) Zeltplatz, auf den uns der Wirt verwiesen hat, liegt etwa 2 km vom Ort entfernt (leider in der falschen Richtung). Der Wirt warnte uns auch vor, dass dort unter Umständen ein paar Mücken wären. Dummerweise hatte er auch recht: Aufgrund des leicht sumpfigen Bodens und des fehlenden Windes ist der Platz bei den Midges sehr beliebt, die sich sofort zu tausenden auf uns stürzen. Ein paar Schotten helfen uns mit einem Mückennetz aus, so dass wir zumindest ein wenig Ruhe haben, um unser Zelt aufzustellen. Gut, dass wir schon gegessen haben, so können wir uns direkt ins (zum Glück mückendichte) Zelt verkriechen.

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{tag 2: Kinlochewe - Lochan Fada, 13 km (6 Std.)} Der eine Schotte erzählt uns, dass er gestern seinen letzten der 284 Munros bestiegen hat. Nicht schlecht. Auf die Frage,was er denn die nächsten Jahre machen würde, antwortete er, dass es ja noch die Corbetts (Berge ab 2500 Fuß Höhe) gebe.
Wir verziehen uns schnell von dem Platz, da mit nachlassendem Wind wieder die Mückenschwärme über uns herfallen. Bevor wir den eigentlichen Startpunkt unserer Wanderung erreichen müssen wir erst wieder zurück in den Ort, wo uns am Wandererparkplatz ein Schild auf den Beginn des Letterewe Wilderness hinweist. Im Moment bedeutet das, dass wir uns den Weg vornehmlich mit Schafen teilen müssen. Am Loch Maree zweigt unser Weg dann aber nach rechts ab und von dort ist es wohl zu steil und zu sumpfig für die Schafe. Der Weg zieht sich doch länger hin als wir gedacht hatten. Aber irgendwann, nach langem Bergauf, erscheint in der Ferne doch noch unser erstes Tagesziel, der Lochan Fada. Als letztes Hindernis müssen wir nur noch den Abfluss des Sees durchwaten, was aber abgesehen von den nassen Füßen recht unproblematisch ist. Kurze Zeit später erreichen wir dann eine schöne Bucht mit Kiesstrand und einer idealen Wiese zum Zelten. Naja, fast ideal, denn beim betreten stellt sich heraus, dass diese doch ziemlich sumpfig ist. Hoffentlich ist unser Zeltboden noch dicht genug.
Bisher war das Wetter übrigens ganz gut: zwar bewölkt, aber angenehme Temperaturen. Aber jetzt sehen wir schon von weitem den Regen herannahen. Wir schaffen es gerade noch unser Abendessen zu beenden bevor uns der Regen früh ins Zelt treibt. Aber wenigstens gibt es heute keine Mücken. Auf dem Innenzelt haben sich mittlerweile bedrohlich viele Wassertropfen angesammelt, die wohl irgendwie den Weg durch das Außenzelt gefunden haben. Hoffentlich bleiben wir trocken! Morgen sollten wir wohl mal ein paar Nähte neu abdichten...

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{tag 3: Lochan Fada - Carnmore, 14 km (9,5 Std.) } Die ganze Nacht hindurch hat es geregnet, bis in die frühen Morgenstunden hinein. Unser Zelt hat das aber so gerade noch mit Mühe und Not ausgehalten. Bei ungemütlichem windigem Wetter wandern wir schließlich los. Nach kurzer Zeit müssen wir uns weglos durchschlagen, ganz schön anstrengend! Als wir schon ziemlich fertig sind, überqueren wir eine Hügelkuppe und vor uns liegt der 967 m hohe A´Mhaighdean, ein sehr begehrter Munro, da er einer der am weitesten von der Zivilisation entferntesten ist. Uns interessiert das jedoch weniger, vielmehr fragen wir uns wie wir denn da hoch kommen sollen, von unten sieht das nämlich ganz schön steil aus. Mit Ausblick auf diese unmöglich erscheinende Aufgabe machen wir erst mal Mittagspause.
Frisch gestärkt beginnen wir den Aufstieg. Als wir dann schließlich erschöpft oben ankommen, ist uns die gute Aussicht nur kurz vergönnt. Der Gipfel hängt plötzlich mitten in einer Wolke, es ist kalt und es fängt an zu regnen.Also auf zum Abstieg - kann ja alles nicht mehr so schlimm sein, wir müssen ja nur noch runter. Aber das ist leichter Gesagt als getan.
Erster Versuch: Im dichten Nebel geraten wir auf eine Trittspur, die plötzlich sehr steil wird. Lose Schieferplatten bedecken diesen "Weg", der hinter ein paar Felsen senkrecht in die Tiefe zu führen scheint. Das erscheint uns nicht wirklich richtig, also zurück, wieder den Berg rauf.
Zweiter Versuch: Nach kurzer Orientierungspause sind wir uns nun sicher auf dem richtigen Weg zu sein. Doch plötzlich dasselbe Bild wie vorher: hier kann es einfach nicht weiter gehen, viel zu steil und gefährlich. Nach kurzer aber anstrengender Kletterei zurück gelingt es uns doch schließlich den richtigen Weg zu finden. Wir kommen aus den Wolken heraus und können nun alles wieder genau sehen. Wenn es doch bloß nicht mehr so weit wäre! Zumindestens der Weg ist nun ganz gut ausgebaut, aber dafür fängt es nun wieder an zu regnen. Völlig erschöpft sehen wir schließlich die Carnmore-Bothy vor uns liegen, die wir dann auch wenig später erreichen. Die Nacht verbringen wir in der sehr einfachen Hütte (Lehmfußboden und überall zieht es) aber Hauptsache ein Dach über dem Kopf. Und das ist auch gut so, denn in der Nacht hören wir immer wieder den Regen auf das Dach prasseln.

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{tag 4: Carnmore - Loch na Sealga, 13 km (6,5 Std.)} Bei bewölktem Wetter machen wir uns auf den Weg, zuerst immer am See entlang auf einem recht gut ausgebautem Weg. Als dieser Weg sich schließlich landeinwärts wendet und einen Berg hinaufführt, merken wir doch deutlich den gestrigen Tag in den Beinen. Es regnet mal wieder und der Gedanke die folgende Nacht wieder mal im Zelt zu verbringen, scheint nicht so verlockend. Doch dann: Im nächsten Tal reißen auf einmal die Wolken auf und es wird richtig schön. Das Wetter hält sich und es wird immer schöner. Wer hätte das gedacht: bevor wir unser Zelt aufbauen, nehmen wir noch schnell ein kleines Bad im Loch na Sealga. So macht das ganze erst richtig Spaß. Da macht es auch nichts, dass wir die letzten Kilometer mal wieder weglos durch sumpfiges Gelände laufen mussten. Der wunderschöne Platz am See und die Sonne entschädigen für alles.

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{tag 5: Loch na Sealga - Shenavall, 9 km (4 Std.)} Heute liegt eine Etappe zum entspannen vor uns: nur 9 km ohne große Steigungen. Das Wetter ist sehr angenehm, zwar bewölkt aber warm. Unser Weg führt uns immer am Loch na Sealga entlang.
Bevor wir unser Tagesziel, die Shenaval-Bothy erreichen, müssen wir nur noch zwei Flüsse durchwaten, was aber dank des niedrigen Wasserstandes kein Problem darstellt. Im Gegensatz zur Carnmore Bothy ist diese Hütte in einem recht guten Zustand und bietet genügend Schlafplätze. Da die Wetterlage trotz zwischenzeitlichem Sonnenschein nicht so ganz eindeutig ist, entscheiden wir uns lieber für einen Platz in der Hütte, als für einen der auch sehr schönen Zeltplätzen davor.

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{tag 6: Shenavall - An Teallach - Shenavall, 13 km (9,5 Std.)} Mit bangem Blick auf das Wetter beginnt der heutige Tag. Eigentlich haben wir uns die Überschreitung des An Teallach-Massives mit einigen Munroes vorgenommen. Aber wenn die Gipfel in den Wolken liegen, macht das ganze keinen Sinn. Es ist heute zwar bewölkt, aber die Wolken hängen hoch genug. Als wir losgehen fängt es leicht an zu regnen und nach kurzer Zeit ziehen sich die Wolken weiter zu. Nach etwa einer Stunde überlegen wir, ob es sich noch lohnt weiter zu gehen, oder ob wir doch lieber umkehren sollen. Aber wie auf Befehl lockert es ein wenig auf und der Blick ins Tal und auf den ersten Gipfel wird frei. Na gut, damit steht unsere Entscheidung fest weiter zu gehen (auch wenn die Wetterbesserung nur von kurzer Dauer war...). Es zieht sich also wieder zu und zu allem Überfluss wird der Regen jetzt auch stärker. Dazu weht ein kräftiger Wind, mit anderen Worten: Sauwetter! Zudem geht es jetzt ziemlich steil über Felsbrocken nach oben auf den 954m hohen Sail Liath. Aber wenigstens müssen wir keine schweren Rucksäcke schleppen, die haben wir nämlich in der Hütte zurückgelassen. Nur zweimal lässt sich für einen kurzen Augenblick ein Blick ins Tal erhaschen und man kann nur erahnen, was für tolle Ausblicke bei schönem Wetter möglich wären. Aber wir trotten durch den Nebel und können nur 20 m nach vorne sehen.
Auf dem ersten Gipfel treffen wir zwei Engländer, die schon ein paar Tage vorher mit uns in der Carnmore Bothy übernachtet haben. Wie so viele liegt ihnen nur etwas an den Munros und dank ausgeklügelter Planung mit zwischenzeitlichen Übernachtungen in Bed & Breakfasts und PKW-Transport erreichen sie die meisten Berge mit Tagestouren (die dann allerdings teilweise recht heftig sind). Dafür kennen sie den Wetterbericht und behaupten, dass es am Nachmittag schön werden soll. Hoffentlich haben sie Recht, denn im Moment sieht es noch überhaupt nicht so aus, dass es überhaupt noch mal besser wird. Aber wenigstens bestärkt uns das in unserem Entschluss weiter zu gehen. Sowieso wäre es blöd, jetzt, wo wir auf dem ersten Gipfel stehen, über denselben Weg wieder hinunter zu steigen. Also überschreiten wir, ohne viel davon zu sehen die Gipfel des Sail Liath und des Cadha Gobhlach (960m). Wenigstens geht es sich, wenn man einmal oben ist, ganz angenehm.
Am Lord Berkeley Seat angekommen entscheiden wir uns natürlich für die leichtere Variante etwas unterhalb des Grates. Das Klettern über den Grat ist uns bei diesem Wetter zu riskant, außerdem würde man je eh nichts sehen. Nach kurzer Mittagspause geschieht dann aber doch das die ganze Zeit ersehnte, aber nicht mehr für möglich gehaltene: es zeigt sich tatsächlich ein Stück blauer Himmel und das Tal wird sichtbar. Schnell werden die Fotoapparate gezückt, es könnte sich ja schließlich wieder zu ziehen, wie so oft bisher. Aber nein, wir haben Glück und es wird richtig schön und so können wir endlich die grandiose Aussicht genießen.
Den Gipfel des Sgurr Fiona(1060m) lassen wir aber trotzdem knapp über uns liegen - die Engländer, die wir gerade wieder getroffen haben, werden uns wohl für blöd halten, nur noch 30m herauf für ein weiteren Munro - aber wir gehen weiter auf den ebenso hohen Bidein a Ghlas Thuill (1062m, gibt es eigentlich irgendwelche Nicht-Schotten, die diese ganzen komischen Namen aussprechen können?) nicht ohne auf dem Weg dahin noch unzählige Fotos von den fantastischen Ausblicken ringsherum zu schießen. Über den Glas Mheall Liath (960m, vielleicht werden wir ja doch noch zu Munro Sammlern?) geht es dann hinunter. Der Abstieg ist allerdings noch mal ziemlich beschwerlich. Über große Felsbrocken geht es steil bergab. . Das letzte Stück zurück zur Bothy zieht sich dann doch noch ziemlich, so dass wir froh sind, als wir unser Ziel endlich erreichen.
Fazit dieses Tages:
1. Sicherlich der Höhepunkt der Tour
2. Vier Munroes an einem Tag (nach unserer Zählung zumindest, vermutlich zählen aber offiziell nicht alle dazu, da einige Gipfel doch recht nah beieinander lagen)
3. Bergauf ist wesentlich angenehmer als bergab
4. Matschlöcher können tiefer sein, als sie aussehen :-)
5. Bis jetzt hat an jedem Tag mal die Sonne geschienen (aber dafür hat es auch an jedem Tag geregnet)

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{tag 7: Shenavall - Lochivraon, 13 km (5,5 Std.)} Recht einfache Tour auf gut ausgebautem Weg. Dieser führt zunächst immer an einem Fluss entlang durch ein idyllisches Tal. Die Sonne scheint und es ist angenehm warm. Es geht etwas aufwärts und dann im nächsten Tal an einem anderen Fluss entlang wieder hinunter bis zu einem See, an dem auch unser Tagesziel, die Lochivraon-Hütte liegt. Diese ist allerdings nicht so schön wie die Shenavall-Hütte, schon ziemlich zerfallen überall, aber bei dem Wetter doch besser als ein Zelt. Denn heute weiß man mit dem Wetter wirklich nicht woran man ist. Mal regnet es in Strömen und dann scheint wieder die Sonne. So schnell kann man gar nicht seine Regenjacke aus- und anziehen. Als noch mal die Sonne herauskommt, überlegen wir noch kurz ob wir nicht doch lieber im Zelt auf der schönen Wiese vor dem Haus schlafen sollen, aber da schon bald wieder Regen aufzieht, bleiben wir lieber im Trocknen.

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{tag 8: Lochivraon - Kinlochewe, 16 km (7 Std.)} Der Tag beginnt so wie der letzte aufgehört hat: wolkig und regnerisch. Als wir nach ein paar hundert Metern den Fluss überqueren wollen müssen wir feststellen, dass der inzwischen soviel Wasser führt, dass wir die Schuhe wieder ausziehen müssen. Wären wir doch direkt in Sandalen losgegangen! Zu allem Überfluss fängt es jetzt auch so richtig an zu schütten so dass wir gar keine Lust haben, die Schuhe auszuziehen.
Später stellt sich die Frage, ob wir der vorgeschlagenen Route über den Groban (749m) folgen sollen (das ist der kürzeste Weg und die Aussicht soll auch ganz nett sein) oder ob wir uns den Aufstieg sparen und am Fuße des Berges herum laufen. Als es wieder mal kurz etwas aufklart, entschließen wir uns dazu hinaufzugehen, schließlich wollen wir heute noch etwas tun, außerdem lockt die Aussicht. Na gut, vielleicht hätten wir´s doch nicht tun sollen, denn natürlich liegt der Gipfel als wir oben sind wieder in den Wolken und von der tollen Aussicht ist nichts zu sehen. Zudem regnet es jetzt ununterbrochen, es ist windig und kalt. Mit Hilfe des Kompasses geht es durch den Nebel zunächst weglos ins Tal, wo dann irgendwo der Pfad nach Kinlochewe sein müsste. Nach einer weiteren Flussdurchquerung (macht uns jetzt nichts mehr aus, da die Füße eh patschnass sind) finden wir auch den Pfad, der allerdings anders als in der Karte verzeichnet schon direkt am Fluss beginnt. Es regnet weiterhin in Strömen, die Füße schwimmen inzwischen in den Schuhen und wir haben schon lange keine Lust mehr. Aber wenigstens führen die letzten Kilometer über einen recht breiten Fahrweg auf dem es sich recht schnell vorwärts kommen lässt.
Kurz vor Kinlochewe treffen wir einige Leute vom örtlichen Bird-Club. Ein älteres Ehepaar erzählt uns, dass sie schon seit einigen Stunden einen Adlerhorst beobachten, der Adler hat sich nur leider noch nicht blicken lassen. Naja sicherlich auch nicht unbedingt ein Vergnügen im Regen zu stehen und auf einen Adler zu warten... Wir verlassen durch ein Gatter das Gebiet der Letterewe Wilderness und stehen bald darauf wieder an unserem Ausgangspunkt, dem Hotel von Kinlochewe. Glücklicherweise gibt es im Bunkhouse noch freie Betten für uns - endlich wieder auf einer weichen Matratze im trockenen schlafen und AUSGIEBIG duschen! Nach einer Woche Nudeln mit Tütensoße schmeckt das Essen im Pub noch mal so gut. Das Bier übrigens auch...

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